Spaßfliegerei während der Ausbildung
Ja darf das denn sein? Es SOLL!
Ein kleiner Bericht von mir als Flugschüler über einen Ausflug nach bzw. die Erkundung des Flugplatzes Varazdin (LDVA) im Nordosten Kroatiens, gleich nach der Grenze zu Slowenien.
Ein Großteil der Flugausbildung besteht darin, das Landen zu erlernen und zu üben – das Fliegen in der freien Luft ist im Vergleich dazu wie das berühmte „Radlfahren“, lässt man Navigation, Funk etc. erstmal weg. Die Hauptbeschäftigung für Flugschüler ist also das Platzrundenfliegen – immer und immer wieder um denselben Flugplatz herum, Aufsetzen und Durchstarten und wieder von vorne… Bis man erstmal genug hat (meist nach 5 Landungen) und der nächste Schüler drankommt. Ein größerer Ausflug, vielleicht sogar auf einen anderen Flugplatz ist da eher eine Rarität, die meist auch nur zustande kommt, wenn man als Schüler seinen Lehrer aktiv in diese Richtung drängt. Es kostet ja auch mehr pro Landung (Flugzeit…) als reines Platzrundenfliegen, und man „verschwendet“ quasi Zeit… Aber ist das wirklich so?
Ich bin in meiner Fluggeilheit solchen Vorhaben gegenüber ja sehr aufgeschlossen und war auch beim Brac-Ausflug gerne dabei – da allerdings in der 2. Reihe einer Cessna und ohne jegliche Funktion. Dieses Mal hat mich Martin schon vor einiger Zeit angesprochen, ob ich seinen „Co“ bei einem Ausflug nach Kroatien geben würde (wie schon beim geplanten Flug nach Bratina vor ca. eine Jahr, der dann aber wetterbedingt nicht zustande kam (à Link). Ich sagte gerne zu, obwohl Martin kein Fluglehrer ist, ich also rechts sitzen musste und den Flug nicht offiziell als Ausbildungszeit rechnen kann.
Und so trafen wir uns am 29.4. gegen halb zehn am Hangar, um unsere Dimona startklar zu machen: wir arbeiteten die üblichen Überprüfungen laut Checkliste ab, checkten den Reifendruck und tankten inkl. Einer vernünftigen Reserve, was wir für das Flugvorhaben benötigten, in den beinahe leeren Tank.
Nach diesen in der schon kräftigen Vormittagssonne schweißtreibenden Aufgaben (es heißt ja Flugsport) setzten wir uns nochmal raus unter die Weinlaube für die „Software“ der Flugvorbereitung. Den Flug hatte auch ich schon mit meiner Ipad-Software „geplant“, trotzdem waren mir einige Erfordernisse für so einen „internationalen“ Flug neu – und diese haben wir nun durchbesprochen.
Insbesondere ist bei solchen Flügen die Angabe des geplanten Grenzübertrittspunktes wichtig: zur Auswahl stehen dafür die in der Luftfahrtkarte vermerkten „Reporting Points“, an die sich auch die Großluftfahrt hält. Diese Punkte werden immer mit 5 Buchstaben bezeichnet, die irgendwelche leicht aussprechbaren und unverwechselbaren Phantasienamen ergeben, wie mir schon mal erklärt wurde. Außerdem (so glaube ich) gibt es jeden Punkt weltweit nur ein einziges Mal. Fast nie hat der Name etwas mit der Geographie zu tun (wie z.B. GOLVA, TISKO, OBUTI, BEDOX, DARZA oder RIFEN). Manchmal aber kann man einen Bezug herstellen – es braucht nicht viel Vorstellungskraft, über welchem Südoststeirischen Nest der Punkt MUREG wohl liegt. Aber das ist eher die Ausnahme…
Aber zurück zur Flugplanung: Beim Grenzübertritt macht man den Air Traffic Controllern das Leben angeblich erheblich leichter, wenn man die Route durch einen der Übergabepunkte plant. Zudem wollen diese dann auch wissen, nach welcher Flugzeit (in etwa) man den Überflug zu erwarten hat. Laut Martin erspart man sich die mit Sicherheit zu erwartende, aber lästige Frage danach am Funk, wenn man die „EET“ (Estimated Enroute Time) gleich in den Flugplan schreibt. Hier unter der Laube hat man wohl auch deutlich weniger Stress als im Flugzeug, diese Zeiten auszurechnen (es heißt nicht umsonst „FlugVORbereitung“). Unser Flug nach Varazdin sollte von Graz über MUREG nach Slowenien und von dort über OBUTI nach Kroatien und schlussendlich nach Varazdin führen: knapp mehr als 100km und in ungefähr 45 Minuten abzufliegen. Zudem liegen Graz, MUREG, OBUTI und Varazdin schnurgerade auf einer Linie – der ganze Flug kommt also ohne eine größere Kurve aus und führt mit einem Kurs von ca. 140 Grad ins Ziel. Dennoch fliegt man in insgesamt 3 Staaten, und man erspart sich vermutlich ebenfalls Stress im Flieger, wenn man schon vorab überlegt, mit wem man unterwegs wohl zu funken hat (wobei es beim Blick auf die Karte mehrere wahrscheinlich erscheinende Möglichkeiten gibt) – und sich die entsprechenden Frequenzen herausschreibt.
Mit diesen Überlegungen und Daten haben wir jedenfalls den Flugplan angemeldet, nochmals das Wetter gecheckt, und kurz nach halb elf ging es dann auf der Piste 16C wirklich los.
„FPL ACCEPTED OE9208 LOWG0830-LDVA LDVC MUREG OBUTI”
Beim Abflug wurden wir nach der gewünschten Flughöhe gefragt, und wir haben 3500ft erbeten (auch das wollen die Controller nicht zuletzt für den Grenzübertritt wissen). Der frisch gewartete Motor der Dimo lief wie der Teufel und brachte uns rasch in diese Höhe. Östlich der Mur ging es zum Punkt MUREG, wo und Graz Tower auf die Frequenz von Maribor Approach schickte (wir hätten eher Ljubljana Information erwartet und ich hatte am Funkgerät schon die Frequenz am Stand-By reingekurbelt, wir hatten in der Flugvorbereitung aber als „2. Wahl“ auch Maribor notiert – gut so!). Bis hierher waren mir die Vorgänge am Funk weitgehend vertraut vom Platzrunden Fliegen in Graz – mit dem Grenzübertritt erflog ich also quasi „Neuland“, das aber erstmal nicht weiter aufregend war: Maribor schickte uns ohne jeden weiteren Kommentar „direct OBUTI“ und ließ uns bis zur kroatischen Grenze auch vollkommen in Ruhe. Er hatte wohl genug mit seinem „eigenen“ Platzrundenverehr zu tun, zu der Zeit übten in Maribor wohl mehrere Flugschüler das Landen. Und auf unserer Route war NICHTS los, lediglich ein, zwei leichte Ausweichmaneuver um Wolken waren erforderlich, damit wir in 3500ft nicht geradeaus in den Nebel flogen – die Wolkenbasis war bei manchen Wolken um wenige Meter tiefer als unsere eigene Flughöhe.
Kurz vor OBUTI wies uns der Controller an, für den Grenzübertritt auf 1000ft GND zu sinken und übergab uns an Zagreb Info (diese Frequenz hatten wir vorab richtig erraten). Zagreb erlaubte uns ungefragt, erneut auf 3500ft zu steigen. „And report Varazdin in sight!“. Das Steigen bis zum Report dauerte aber nicht lange, die sehr gut erkennbare Piste liegt ja lediglich 14km hinter OBUTI.

Zum Abschluss erinnerte uns der sehr nette Controller noch daran, den Flugplan nach der Landung zu schließen, bevor er uns auf die Platzfrequenz von Varazdin schickte. Das ist für jemanden, der ausschließlich in Graz fliegt, schon mal ungewohnt: dort öffnet und schließt der Controller die Flugpläne, während man sich auf den kleinen Plätzen selbst darum zu kümmern hat. Bei Unterlassung geht schlimmstenfalls die volle Rettungskette los, laut Martins eigener Erfahrung versuchen sie zuerst aber einmal, den Piloten telefonisch zu erreichen – sofern dieser seine Nummer im Flugplan unter „Sonstiges“ im Feld Nr. 18 angegeben hat (was irgendwie ratsam erscheint…).
Ab nun wurde es gänzlich ungewohnt: auf Österreichischen Flugplätzen undenkbar können in Kroatien die Pisten zwar offen, aber der Funk unbesetzt sein. Dafür gibt es dann ausführliche Anweisungen in der Flugplatzdokumentation (die man sich im Rahmen der Flugvorbereitung natürlich gründlich anschaut): Es sind auf der Frequenz „Varazdin Radio“ an gewissen Punkten wie dem Einflug in die Flugplatzverkehrszone, Gegenanflug, Endanflug und auch bei Verlassen der Piste in Richtung Abstellfläche entsprechende Positionsmeldungen „blind“ abzusetzen – FALLS da noch jemand unterwegs ist, für den diese Information von Bedeutung sein könnte. Bei uns war da weit und breit absolut niemand, und so funkte Martin vor, während und nach der Landung auf Piste 16 ans Universum, das aber dennoch vollkommen anweisungstreu. Ähnliche Verfahren gibt es sogar auf gar nicht mehr so kleinen Flugplätzen, auf denen auch kleinere Linienmaschinen landen, wie z.B. Brac.
Meistens verlangen solche Plätze auch irgendeine Form der Voranmeldung des Fluges („PPR“, das steht für „Prior Permission Required“). Martin war ca. zwei Wochen vor unserem Flug schon am Landweg in Varazdin und hat mit dem Betriebsleiter dort gesprochen und eine Telefonnummer für PPR erhalten. Am Tag vor unserem Flug telefonierte Martin dann mit einer angeblich sehr charmanten Lara, die ihm eröffnete, dass der Platz von 08:00 bis 15:00 geöffnet sei. PPR also abgehakt.

Martin war das Fliegen ohne Funk am Platz von kroatischen Destinationen an sich ja gewohnt. NICHT gewohnt war allerdings auch er, dass trotz PPR nach dem Abstellen unserer Dimona einfach absolut niemand am Platz anzutreffen war – und so irrten wir durch verschiedene Eingänge und Räume des Flugplatzgebäudes, um erstens jemanden zu finden, bei dem wir die Landegebühr begleichen könnten, und andererseits, um von der „Airside“ auf die „Landside“ ins Flugplatzcafe zu gelangen. „Landseitig“ waren aber sämtliche Türen fest versperrt, und der gesamte Flugplatz ist von einem hohen Zaun eingefasst.
Der Ausweg aus diesem „Escape Room“ fand sich schließlich in der Toilette (!) des Flugplatzcafes. Dort, im „Top Gun“, war immerhin der Kellner anzutreffen, im Gastgarten saßen zwei ältere Männer, die mit Fliegerei nicht viel zu tun haben dürften und eher an das erinnerten, was man bei uns „Tankstellenalkoholiker“ nennen würde. Der Kellner war der Ansicht, dass sehr wohl Flugplatzpersonal anwesend sein müsste, und er würde sich darum kümmern, während wir einen Eiskaffee und ein Coca Cola genossen und unseren Rückflug planten.

Aber da war doch noch was: Die Landegebühr! Unvermittelt kam der Kellner gelaufen und drückte Martin sein Handy ans Ohr. Am anderen Ende war besagte charmante Lara, die meinte, der Betriebsleiter hätte einen Termin in der Stadt und sie selbst sei in Zagreb bei einem Termin bei der Luftfahrtbehörde, und sie entschuldigte sich für die „Unannehmlichkeiten“ trotz PPR-Anrufs. Den Vorschlag, die 10 Euro einfach beim Kellner zu hinterlegen, lehnte sie mit den Worten „we never do it that way“ ab und meinte, die Landung heute sei eben einfach gratis. Man könne ja mal auf einen Kaffee gehen, wenn wir mal wieder nach Varazdin fliegen. 😉
Für den Rückflug wählten wir der Abwechslung wegen eine etwas andere Route: zuerst nach Westen zum Punkt BEDOX, der fast genau über dem Grenzübergang auf der Strecke Zagreb-Maribor liegt (wie viele Stunden haben wir dort vor Kroatiens Schengen-Beitritt nicht alle schon verbracht?). Von dort dann in direkter Linie nach GOLVA (Grenzübergang Spielfeld), also quasi mitten durch die Kontrollzone Maribor bzw. oben drüber. Schlimmstenfalls könnte man noch immer drum herum navigieren, sollte man dafür keine Freigabe bekommen. Für die etwas längere Route planten wir 10 Minuten mehr Flugzeit ein und meldeten den entsprechenden Flugplan an.
Nach ca. einer Stunde Aufenthalt in Varazdin hoben wir auf der Piste 16, begleitet von den nun schon gewohnten Blindmeldungen (wiederum: absolut nix los) ab und kontaktierten alsbald Zagreb Info mit der Bitte, den Flugplan nach Graz unter Angabe unserer Startzeit zu aktivieren. Unser Ersuchen, auf 3500ft zu steigen wurde vorerst einmal abgelehnt: „for the time fly 1000 ft GND“. Sehr bald waren wir aber – von Zagreb aus gesehen – hinter dem Mittelgebirge, das sich dort im Norden Kroatiens in Ost-West-Richtung erstreckt, verschwunden, und so erreichten uns vermutlich erste Versuche, uns doch auf 3500ft freizugeben, gar nicht. Landschaftlich ist dieses Tal zwischen dem Bergrücken und der kroatisch-slowenischen Grenze übrigens wirklich nicht unspannend (Gegend von Ivanec, da kommt man als Österreicher ohne speziellen Grund praktisch nie hin).
Nach und nach bekamen wir dann Funkfetzen zu hören, wo wir zwar unser Kennzeichen, aber zuerst nicht den Inhalt erahnen konnten, mit. Und schließlich kam die Freigabe auf 3500ft auch bei uns an, die Verständlichkeit verbesserte sich im Steigflug schlagartig.
Bei BEDOX übergab uns Zagreb Info wieder an Maribor Approach, wo wir die Freigabe „direct GOLVA“ erhielten – also schnurgerade über die Kontrollzone. Unterwegs, in etwa querab Ptuj, gab es einmal eine Verkehrsmeldung zu einem Segelflugzeug, das in unsere Richtung flog, das wir aber nie zu sehen bekommen haben (es war thermisch ja einiges los an diesem Tag, siehe die Flüge unserer Kollegen in Timmersdorf, die dazu hoffentlich auch noch einen Bericht schreiben werden LINK)

Ab GOLVA waren wir wieder auf der Frequenz von Graz Tower und erhielten die Anweisung „East of river Mur to Kalsdorf“. Aber auch hier herzlich wenig los. Über Kalsdorf bekamen wir einen „Wind Check“, der etwa 10 Knoten aus Richtung Süd zum Inhalt hatte, zusammen mit der sehr kurz gefassten Frage „three-four, one-six?“. Gemeint war natürlich die bevorzugte Pistenrichtung. Martin entschied sich angesichts des Windes für die 16, auf der wir nach 52 Minuten Flugzeit landeten.
In der Rückschau kann ich einige Dinge anführen, die diesen Flug – trotz des „nicht-Schulflug-Settings“ (Martin hat keine Fluglehrerlizenz) sehr lehrreich gemacht haben. Dinge, die man im Platzrundenverkehr eben einfach nicht erlebt, und Skills, die man dort nicht oder nicht in diesem Ausmaß braucht. Das beginnt bei der Flugvorbereitung, der Planung der Grenzübertritte und den dafür nötigen Angaben im Flugplan und geht weiter mit der Funkerei „Enroute“, speziell in Slowenien und Kroatien (nein, die beißen dort definitiv NICHT!). Besonders „neu“ war das Erlebnis, einfach geradeaus auf einen Punkt zuzufliegen, der irgendwo hinter dem Horizont liegt. Martin mag zwar kein Fluglehrer sein, er konnte aber ganz schön lästig werden, wenn ich beim Steuern viel zuviel auf meine Navi-Software und viel zu wenig auf irgendwelche Fixpunkte am Horizont schaute, um die Richtung zu halten, was mir mit Navi eh nicht so sauber gelang (das lernt man in der Platzrunde mit ihren ausgetretenen, 100 mal durchflogenen Pfaden halt nicht). Jedenfalls versuchte er, mir diese Art des „Richtung haltens“, wo das GPS maximal ein Backup ist, näher zu bringen. Mal sehen, ob es etwas bewirkt hat… 😉
Ich kann es jedenfalls nur wärmstens empfehlen, solche Gelegenheiten auch während der Ausbildung reichlich zu nutzen, auch wenn diese auf den ersten Blick „ineffizient“ (da teurer) erscheinen. Das ist in jedem Fall spannend, lustig und lehrreich, mit Fluglehrer – oder auch auf dem rechten Sitz als juristischer „Passagier“. Auch in diesem Fall kann man sich in jeder Hinsicht einbringen (funken, steuern, navigieren, etc), es taugt halt nicht fürs Flugbuch als Ausbildungszeit. Aber: nachdem Martin kein Fluglehrer ist, traute er sich nicht, mich landen zu lassen – was er aber auf seine darin ungeübten Nerven und nicht auf meine Fähigkeiten schob. 😉